Ein Mutmacher im zähen Abstiegskampf

Solche Geschichten schreibt wohl nur der Sport: Beim 21:26 am Donnerstag musste der finanzstarke und ambitionierte Handball-Erstligist MT Melsungen dem Abstiegskandidaten TVB Stuttgart im vierten Aufeinandertreffen hintereinander die Punkte überlassen. Gibt es ihn also tatsächlich, den viel beschriebenen Angstgegner?

Im Vorfeld hatten sich die Melsunger jedenfalls ausgiebig Gedanken darüber gemacht, weshalb sie mit dem TVB nicht klarkommen. „Stuttgart ist für uns wie eine schwarze Katze“, hatte der MT-Torhüter Nebojsa Simic philosophiert. Der ehemalige Handball-Profi und promovierte Sportwissenschaftler Alexander Koke nahm sich des Angstgegner-Phänomens an. Wichtig sei, die Aufgabe gegen den TVB nicht als Bedrohung zu sehen, sondern als Herausforderung, erklärte Koke in der Hessischen Niedersächsischen Allgemeinen. Positive Gedanken sollten in die Köpfe der Spieler. „Wir wollen richtig einen raushauen gegen Stuttgart“, sagte dann auch Julius Kühn.

Funktioniert hat es wieder nicht, entsprechend bedient war Kühns Nationalmannschaftskollege Finn Lemke nach dem Spiel. „Wir verlieren viermal nacheinander gegen ein Team, das wir schlagen müssen“, sagte der Abwehrstratege. „Das ist nicht mit unseren Zielen kompatibel.“

Für Melsungen war die unerwartete Pleite ein Rückschlag im Kampf um einen Europapokal-Platz. Für den TVB war der erste Sieg seit dem 12. Dezember ein bedeutender Schritt im nervenaufreibenden Abstiegskampf. Die Art, wie sich die Stuttgarter in Kassel präsentierten, macht jedenfalls Mut. Hervorragend eingestellt von Trainer Jürgen Schweikardt, nervte der TVB den Gegner über 60 Minuten hinweg, ging leidenschaftlich und abgezockt zu Werke. „Es ist schwer, einen aus dem Team herauszuheben“, sagte Schweikardt. Prunkstück war die Deckung im Verbund mit dem wieder überragenden Johannes Bitter.

Jeder stand parat, wenn er gebraucht wurde. Auch Spieler, die zuletzt nicht überzeugten, trugen ihren Teil zum Erfolg bei. „Max Häfner hat das Spiel super gesteuert“, so Schweikardt. Und er gewann das Bruderduell mit Kai Häfner, den die TVB-Abwehr komplett abmeldete. Kurz vor Spielschluss gab’s eine Schrecksekunde, als Max Häfner vom Spielfeld humpelte. Schon kurz danach kam die Entwarnung: Er hatte lediglich einen schmerzhaften Schlag auf den Oberschenkel abbekommen.

Viel Zeit zur Regeneration bleibt Häfner und dem TVB nicht: Bereits am Sonntag (16 Uhr) geht’s mit dem Flugzeug nach Kiel, wo der Rekordmeister die Tabellenführung verteidigen möchte. Die Zebras sind drauf und dran, die kleine Flaute von vier Jahren ohne Meisterschaft zu beenden. Zwölf Spiele vor Rundenende liegen sie mit 36:8 Punkten an der Tabellenspitze. Bei zwei bis fünf Zählern Rückstand darf sich die Konkurrenz zwar noch Hoffnungen machen. Für den THW spricht jedoch, dass er den stabilsten Eindruck aller Teams macht. Nur vier Niederlagen stehen zu Buche – gegen die Meisterschaftskonkurrenten Magdeburg (31:32), Rhein-Neckar Löwen (25:26) und Füchse Berlin (28:29) jeweils mit dem knappsten Resultat. Einen Ausrutscher gab’s beim 20:27 in eigener Halle gegen die HSG Wetzlar. Unter der Woche zog Kiel mit dem 29:28-Sieg gegen Veszprem ins Viertelfinale der Champions League ein.

Der TVB Stuttgart spielte in dieser Saison schon zweimal gegen die Zebras. Im Viertelfinale des DHB-Pokals zitterte sich Kiel im Dezember zum 35:34-Sieg. Im Punktspiel ein paar Tage später hielten die Stuttgarter eine Dreiviertelstunde mit bis zum 19:20, mussten sich aber letztlich deutlich mit 21:29 geschlagen geben. Auch im einen oder anderen der acht Erstliga-Begegnungen zuvor machte der TVB gegen den Favoriten eine ordentliche Figur, es setzte allerdings auch so manche Schlappe. Ein Angstgegner sind die Stuttgarter also nicht für Kiel, und Schweikardt kann die Lage richtig einschätzen. „Für uns geht es darum, dass wir die Gelegenheit haben, unsere Abwehr weiter zu festigen. Und das auf höchstem Niveau.“

Damit sein Team gerüstet ist für die vier aussichtsreichen Heimspiele in Folge.

Quelle: Thomas Wagner / ZVW

Die Stimmen zum Auswärtssieg gegen die MTM

Jürgen Schweikardt: Wir alle können die Tabelle lesen und wissen, wie wichtig diese zwei Punkte für uns sind. Wir hatten in dieser Saison schon oft gute Spiele, die wir aber nicht zu Ende gebracht haben. Heute waren das Paket Jogi und die Abwehr sicher außergewöhnlich. Ich glaube, dass wir immer gefightet und gekämpft und es Melsungen so extrem schwer gemacht haben. Natürlich hatte Melsungen heute keinen guten Tag, aber wir haben das getan, was wir tun konnten, und vielleicht sogar noch ein bisschen mehr. Schon in der ersten Halbzeit haben wir nur neun Tore bekommen, auch wenn im Angriff nicht alles optimal war. Ich bin sehr froh über den Einstand von Christian Zeitz. Er hat schon sehr viel erlebt, aber natürlich ist auch er vor so einem Spiel nervös. Trotzdem hat er heute drei Tore gemacht und uns die Entlastung gebracht, die wir gebraucht haben, für Robert Markotic. Wir sind am Ende einfach sehr glücklich über diese zwei Punkte.

Heiko Grimm: Wir waren heute sechzig Minuten chancenlos. Wir haben heute Handball ohne jede Intensität gespielt, haben offensiv keinen Zweikampf gewonnen und hinten wurden wir auseinander gespielt. Christian Zeitz kommt mit 39 Jahren und macht drei Tore, als ob es nichts wäre und wir bekommen das einfach nicht hin. Wir werden wieder einmal das Spiel analysieren und mit der Mannschaft darüber sprechen müssen, weil wir heute keine Leistung gezeigt haben.

Christian Zeitz: Es lief heute für mich ganz gut, hinten raus habe ich ein, zwei Bälle verworfen, was meiner Meinung nach an der Nervosität lag und nach und nach aber besser wird. Am kommenden Sonntag, wenn ich nach Kiel an meine alte Wirkungsstätte zurückkehren werde, werden die Fans mich sicherlich mit gemischten Gefühlen empfangen. Einige werden sich freuen mich wieder zu sehen, andere werden pfeifen, aber das bin ich gewohnt. Ich freue mich auf das Spiel, auf die Halle und vor allem darauf, meine alten Mitspieler mal wieder zu sehen. Ich denke, wir müssen Selbstvertrauen aus diesem Spiel mitnehmen und dann mal schauen, ob in Kiel Punkte für uns zu holen sind.

TVB holt zwei wichtige Punkte in Melsungen

Nicht dabei waren an diesem Donnerstagabend David Schmidt (ausgekugelter Finger) und Alexander Schulze (Muskelbündelriss im Oberschenkel). Dafür standen dem TVB-Trainer Jürgen Schweikardt Nick Lehmann und Robert Markotic wieder zur Verfügung. Luis Foege war in den Bundesliga-Kader gerutscht und sogar der erst am Tag der Partie verpflichtete Christian Zeitz war in Melsungen schon mit dabei und stand direkt in der Startformation.

Das erste Tor der Partie gelang der MT Melsungen in Minute eins, nachdem Zeitz zuvor sein Anspiel an den Kreis nicht an den Mann bringen konnte. Zwei Angriffe später machte es Zeitz dann besser. Nach einem starken eins gegen eins, erzielte er nicht nur sein erstes Tor für den TVB, sondern auch das erste Tor der Partie für den TVB – 1:1 nach vier Minuten.

Die ersten zehn Minuten verliefen ausgeglichen, doch dann warf Kühn neben das Tor und Faluvegi nutzte die Chance zur ersten Führung für die Stuttgarter in der 12. Minute. Markotic und Pfattheicher erhöhten daraufhin zum ersten Mal auf + 3 für die WILD BOYS. Melsungens Trainer Heiko Grimm fühlte sich dann zur ersten Auszeit gezwungen, welche jedoch zunächst einmal keine Wirkung zeigte, denn Pfattheicher netzte zum 6:10 ein. Dank eines guten Jogi Bitter im Tor, einer soliden Abwehrleistung und einem sauberen Angriffsspiel ging es mit einer 9:13-Führung für Stuttgart in die Halbzeitpause.

Die MT kam besser aus der Kabine, konnte direkt auf zwei Tore Abstand verkürzen. Einen starken 3:0-Lauf der Gastgeber konterten die Gäste ebenfalls mit 3:0 Toren in den darauffolgenden Minuten. Das Team vom Neckar lies sich durch die kurze starke Phase des Gegners nicht verunsichern, sondern zeigte weiterhin eine überzeugende Leistung in allen Mannschaftsteilen.

Nach einer 7-Tore Führung lies der TVB die MT Melsungen noch einmal rankommen. Die Heimmannschaft hatte sogar die Chance auf -4 zu verkürzen, doch Bitter war da und hielt den ersten Siebenmeter der Melsunger. Am Ende stand ein souveräner und verdienter 21:26-Sieg für den TVB auf der Anzeigetafel.

TVB Stuttgart verpflichtet Christian Zeitz

Routinier verstärkt die Wild Boys bis zum Ende der Saison
Der TVB Stuttgart hat auf die Verletzung von David Schmidt reagiert und den rechten Rückraumspieler Christian Zeitz für die restliche Saison verpflichtet. Der 39-Jährige wechselt vom Drittligisten SG Nußloch mit sofortiger Wirkung an den Neckar.

Christian Zeitz lief unter anderem von 2003-2014, sowie von 2016-2018 für den THW Kiel auf. In 399 Bundesligaspielen erzielte der Linkshänder insgesamt 1161 Tore. Zwischen 2014 und 2016 stand Zeitz beim ungarischen Rekordmeister MKB-MKM Vezpreém KC unter Vertrag. Darüber hinaus absolvierte der gebürtige Heidelberger insgesamt 166 Spiele für die deutsche Nationalmannschaft (458 Tore). Zu seinen unzähligen Titeln gehört, neben neun deutschen Meisterschaften und drei Champions League-Pokalen, auch der Weltmeistertitel 2007.  

Der Linkshänder soll auf der rechten Rückraumposition für Entlastung des angeschlagenen Robert Markotic sorgen. Nationalspieler David Schmidt fällt nach seiner Verletzung an der Wurfhand aus dem Heimspiel gegen den SC DHfK Leipzig mehrere Wochen aus. Bereits beim heutigen Spiel gegen die MT Melsungen steht der 1,86 m große Zeitz im Aufgebot des TVB.

„Natürlich ist uns bewusst, dass Christian für uns keine Spiele alleine gewinnen kann. Das erwarten wir auch nicht von ihm. Dennoch sind wir davon überzeugt, dass er mit seiner Erfahrung und seiner Präsenz, vor allem nach dem Ausfall von David Schmidt, ein wichtiger Faktor im Kampf um den Klassenerhalt sein kann. Er ist ein Spieler, der im entscheidenden Moment den Unterschied ausmachen kann“, erklärt Jürgen Schweikardt.

„Ich freue mich auf eine neue Herausforderung mit meinen neuen Mannschaftskameraden! Ich weiß, in welch einer schwierigen Situation sich der Verein befindet. Gemeinsam geht es jetzt darum, den TVB Stuttgart im Oberhaus des deutschen Handballs zu halten“, so der neue Rückraum Rechts Christian Zeitz.

Bleibt der TVB ein Angstgegner für Melsungen?

Nach dem jüngsten Kraftakt des Handball-Erstligisten TVB Stuttgart, der mit einem Punkt gegen den SC DHfK Leipzig belohnt worden ist, steht das Team von Trainer Jürgen Schweikardt in dieser Woche vor gleich zwei ziemlich hohen Hürden: Bevor es am Sonntag per Flugzeug zum Spitzenreiter THW Kiel geht, reist der TVB an diesem Donnerstag mit dem Bus nach Kassel. Dort wartet mit der MT Melsungen ebenfalls ein Top-Team – gegen das die Stuttgarter eine überraschend gute Bilanz aufweisen: In der vergangenen Saison hatten sie beide Spiele für sich entschieden, und auch im Hinspiel blieben die Punkte in der Scharrena.

Mit dem 31:28 im Dezember gelang dem TVB Historisches: Zum ersten Mal in seiner viereinhalbjährigen Erstligazugehörigkeit gewann er drei Spiele hintereinander. Sechs Punkte Vorsprung auf die Abstiegsplätze hatten sich die Bittenfelder mit dieser Mini-Serie erarbeitet. Mittlerweile liegen sie lediglich noch einen Zähler vor den Eulen Ludwigshafen. Die Lage ist ernst, der TVB braucht jeden Punkt in den verbleibenden 13 Spielen.

Die Erfolgsaussichten in dieser Woche sind eher gering, auch wenn der TVB zuletzt sowohl gegen Melsungen als auch gegen Kiel gut ausgesehen hat. Das liegt erstens an der fehlenden Selbstsicherheit. Und zweitens an der kniffligen Personallage: David Schmidt (Finger ausgekugelt) wird zwei bis vier Wochen ausfallen. Ob Robert Markotic nach seiner Knöchelverletzung bereits an diesem Donnerstag wieder einsatzfähig sein wird, ist äußerst fraglich. „Jetzt haben wir im rechten Rückraum wieder dieselbe Situation wie zu Saisonbeginn“, sagt Jürgen Schweikardt. Immerhin ist Luis Foege wieder fit. Ein gleichwertiger Ersatz für die beiden kann der Youngster freilich nicht sein.

Der Trainer muss also improvisieren. Entweder ein linker Rückraumspieler oder einer der beiden Spielmacher Max Häfner oder Rudolf Faluvégi muss auf die ungewohnte rechte Seite wechseln. Es könnte sich auch eine Chance eröffnen für Elvar Asgeirsson. Der Isländer, der von allen Neuzugängen zu Saisonbeginn die beste Figur machte, trat lange nicht in Erscheinung. Er bekam wenig Spielanteile, gleichzeitig schwand das Selbstvertrauen.

Eröffnet sich für den TVB womöglich ein kleiner Vorteil, weil sich das Spiel nicht mehr auf Schmidt fokussiert und die Mannschaft schwieriger auszurechnen ist? „Ich kann da nichts Positives darin sehen“, sagt Schweikardt. Zumal dem TVB nicht nur Schmidts Tore fehlen, sondern weil auch die Abwehrformation auseinanderfällt.

Ob mit oder ohne Schmidt: Auf die Defensive wird in der Kasseler Rothenbach-Halle einiges zukommen. Beispielsweise zwei Drittel des Nationalmannschafts-Rückraums mit Julius Kühn und Max Häfner. Letzterer fehlte im Hinspiel, doch dieses Mal wird’s zum Bruder-Duell kommen. Auch mit dem Ex-Bittenfelder Stefan Salger gibt’s ein Wiedersehen.

Komplettiert wird der Melsunger Rückraum mit dem spielfreudigen dänischen Spielmacher Lasse Mikkelsen. Eine klasse Europameisterschaft spielte der kroatische Kreisläufer Marino Maric, auf Rechtsaußen wirbelt der deutsche Nationalspieler Tobias Reichmann. Exzellent besetzt ist das Team von Trainer Heiko Grimm auch im Tor mit den Auswahlspielern Nebojsa Simic (Montenegro) und Johan Sjöstrand (Schweden).

Die Melsunger, denen der eine oder andere Experte vor der Saison sogar Titelchancen zugetraut hatte, haben sich nach einem mühsamen Start längst stabilisiert. Im ersten Spiel nach der EM-Pause setzte sich die MT bei den Rhein-Neckar Löwen mit 33:20 durch und hatte dabei schon mit sechs Toren geführt. Nur drei Punkte trennen die Hessen vom dritten Tabellenplatz. Zum Auftakt der Gruppenphase im EHF-Cup besiegte Melsungen am Sonntag den polnischen Vertreter Gwardia Oppeln mit 26:21 und schonte dabei einige Spieler.

Trotz der Außenseiterolle gibt sich Schweikardt kämpferisch. „Sicher sind wir angeschlagen“, sagt er. „Aber wir müssen in unserer Situation schauen, wo wir etwas mitnehmen können.“ Hoffnung macht dem Trainer, dass die Liga so ausgeglichen ist wie schon lange nicht mehr. Überraschungen gibt’s an fast jedem Spieltag.

Quelle: Thomas Wagner / ZVW

Der Plan: Sicherheit gewinnen über die Abwehr

Eine Dreiviertelstunde lang war der TVB Stuttgart am jüngsten Spieltag der ersten Handball-Bundesliga auf einen Abstiegsplatz abgerutscht. Der Vorletzte Eulen Ludwigshafen führte beim Tabellendritten TSV Hannover-Burgdorf und stand vor dem nächsten Coup. Zeitgleich hechelte der TVB gegen den Tabellenneunten SC DHfK Leipzig einem Rückstand hinterher. Nach den Schlusssirenen waren die Verhältnisse, zum Glück für den TVB, wieder halbwegs geradegerückt: Ludwigshafen musste sich knapp mit 23:25 beugen und bleibt bei zwölf Punkten. Die Stuttgarter haben mit einem Kraftakt beim 25:25 – nach vier Niederlagen in Serie – wenigstens einen Punkt behalten und den drittletzten Platz verteidigt. Mit einem Punkt Vorsprung.

Nach dem lendenlahmen Auftritt in der Vorwoche beim TBV Lemgo freute sich Jürgen Schweikardt über den enormen Kampfgeist, den sein Team trotz aller Widrigkeiten an den Tag legte. Die eine oder andere diskussionswürdige Schiedsrichterentscheidung nahm der TVB-Trainer zwar zur Kenntnis. „Größere Gedanken verschwende ich daran aber nicht“, sagte er am Tag danach.

Zwangsläufig länger beschäftigen dagegen werden ihn die Folgen der Szene aus der 55. Minute: David Schmidt, wieder einmal der erfolgreichste Werfer und torgefährlichste Rückraumwerfer des TVB, ging beim Spielstand von 22:22 gegen Marko Mamic ins Eins-gegen-eins. Der kroatische Vize-Europameister, der sich kurz zuvor bereits wegen einer Schauspieleinlage die Missgunst der 5400 Fans in der Porsche-Arena zugezogen hatte, stoppte Schmidt ziemlich rüde und auf Kosten einer Zeitstrafe.

Für Schmidt hatte diese Aktion weitreichende Folgen: Er kugelte sich einen Finger der Wurfhand aus und wird, so schätzt sein Trainer, vier bis sechs Wochen nicht zur Verfügung stehen. Ob die Bänder und Sehnen etwas abbekommen haben, lässt sich noch nicht beurteilen, weil der Finger dick geschwollen ist.

Angesichts des kompakten Spielplans bedeutet diese Nachricht vermutlich vier bis sechs Spiele Zwangspause. In Melsungen und Kiel sowie in den extrem wichtigen Heimspielen gegen den Zwölften HC Erlangen, das einen Rang schlechter platzierte FA Göppingen und den Abstiegskonkurrenten HBW Balingen-Weilstetten muss sich Jürgen Schweikardt etwas einfallen lassen.

Auf den ersten Blick sind die Alternativen überschaubar: Robert Markotic fehlte gegen Leipzig wegen einer Knöchelverletzung. Er soll diese Woche wieder ins Training einsteigen. Mit Luis Foege stand bereits am Sonntag ein Nachwuchsspieler parat für den rechten Rückraum, er dürfte in den kommenden Wochen fest zum Kader gehören.

„Uns bleibt nichts anderes übrig, als auch diese Hürde zu überspringen“, so Schweikardt. Den Fokus will er in den kommenden Trainingseinheiten auf die Abwehrarbeit legen. Die zentralen Spieler Adam Lönn, Samuel Röthlisberger, Dominik Weiß und nach seiner Einwechslung auch Manuel Späth haben ihre Aufgaben gegen Leipzig vor allem in den zweiten 30 Minuten zufriedenstellend erledigt.

„Im Angriff ist uns die Leichtigkeit etwas abhandengekommen, und sie wird so schnell auch nicht zurückkommen“, sagt Schweikardt. „Wenn wir in der Abwehr noch stabiler werden, nimmt das den Druck aus dem Angriff.“ Dort hat der TVB Stuttgart derzeit mit der einen oder anderen Formschwäche zu kämpfen.

Quelle: Thomas Wagner / ZVW

TVB: Punkt gerettet, Schmidt verloren

Dank einer Leistungssteigerung im zweiten Spielabschnitt hat sich der Handball-Erstligist TVB Stuttgart vor 5422 Fans in der Porsche-Arena gegen den SC DHfK Leipzig beim 25:25 (12:14) einen Punkt erkämpft. Teuer allerdings, denn der bis dahin zusammen mit Torhüter Johannes Bitter überragende David Schmidt musste fünf Minuten vor dem Ende mit einem ausgekugelten Finger – inklusive Fleischwunde – vom Platz und wird in den nächsten Spielen fehlen.

Welche Bedeutung der Linkshänder für den TVB hat, wurde am Sonntag wieder einmal deutlich: Dem Neu-Nationalspieler gelang zwar nicht alles, doch ohne den achtfachen Torschützen wäre der TVB als Verlierer aus der Halle gegangen. Mitentscheidend war zudem, dass Bitter das Torhüterduell gegen Jens Vortmann und Joel Birlehm klar gewann.

Die schwache Leistung in Lemgo steckte dem TVB im ersten Spielabschnitt in den Kleidern. Nach der 1:0-Führung durch Adam Lönn, es sollte die letzte sein für lange Zeit, leistete sich das Heimteam ein Stürmerfoul und zwei technische Fehler. Nach acht Minuten brachte Philipp Weber die Leipziger mit 5:3 in Führung, dann gab’s die erste Schrecksekunde für den TVB: Patrick Zieker blieb nach einem Angriff auf dem Boden liegen.

Zum Glück konnte er weitermachen, eine Alternative auf Linksaußen gab’s nämlich nicht: Der erst kürzlich per Zweifachspielrecht verpflichtete Alexander Schulze hatte sich tags zuvor am Oberschenkel verletzt.

Nach dem 3:6-Rückstand (9.) glich der TVB zwar zum 6:6 aus (13.), die Probleme indes waren offensichtlich: Es klemmte vor allem im Rückraum. Weil auch Robert Markotic wegen einer Knöchelverletzung ausfiel, ruhte die Last im Rückraum wieder einmal auf David Schmidt. Dominik Weiß suchte zu selten die Tiefe. Adam Lönn bemühte sich zwar im zweiten Spiel nach seiner langen Verletzungspause, doch der Schwede hat noch nicht seine alte Durchschlagskraft. Auf der Spielmacherposition leistete sich Rudolf Faluvégi zu viele Fehler, und auch Max Häfner hatte seine Probleme. Zarko Pesevski jedenfalls hing am Kreis völlig in der Luft.

Die Gäste zogen beim 9:6 (15.) wieder davon – und mussten dafür gar nicht besonders viel investieren. Erschwerend hinzu kam für den TVB, dass die Schiedsrichter Ramesh und Suresh Thiyagarajah nicht ihren besten Tag erwischten und sehr kleinlich pfiffen – häufig zuungunsten der Stuttgarter. So schickten die Referees Bitter wegen Meckerns für zwei Minuten auf die Bank (18.).

Irgendwie lief fortan alles gegen das Heimteam. Leipzig nutzte die Abspielfehler des Gegners und konterte zur 12:7-Führung nach 20 Minuten. Der TVB wirkte in dieser Phase wie gelähmt. Einzig Bitter und Schmidt ließen sich nicht anstecken. Doch als sich auch bei Leipzig Fehler einschlichen, verkürzte der TVB zum 12:14-Halbzeitstand – und damit war er gut bedient.

Mit einer ganz anderen Körpersprache kehrte das Team von Trainer Jürgen Schweikardt aus der Kabine zurück. Die Abwehr biss sich ins Spiel, Leipzig bekam Probleme im Positionsangriff und musste auch in der Defensive mehr arbeiten. Zieker traf beim 16:16 (34.) zum ersten Ausgleich seit dem 6:6. Fehlerbehaftet war das Spiel des TVB weiterhin, weshalb die Gäste auch immer wieder vorlegten. Trotzdem: Es war nun eine ausgeglichene, hart umkämpfte Partie.

Nach einer tollen Parade von Bitter erzielte Weiß beim 21:20 (48.) die erste Führung seit dem 1:0. Die war jedoch rasch wieder futsch (21:22). Zieker vergab die Chance zur Führung, er scheiterte zum zweiten Mal per Strafwurf am ansonsten schwachen Vortmann. Dann fasste sich Häfner ein Herz (23:22/56.). Maciej Gebala glich aus zum 23:23, im Anschluss scheiterte Sascha Pfattheicher frei vor SC-Keeper Joel Birlehm. Erneut Gebala brachte die Gäste vom Kreis beim 24:23 in Vorteil.

134 Sekunden blieben dem TVB nach einer Auszeit noch, Lönn überraschte Birlehm zum 24:24. Weber ließ 20 Sekunden vor dem Ende die Hoffnungen der Fans mit einem verdeckten Wurf zum 24:25 schwinden. Vier Sekunden vor der Sirene beförderte Weiß den Ball mit dem finalen Wurf zum 25:25-Endstand ins lange Ende.

Vor dem Spiel wäre der TVB mit dem einen Punkt wohl nicht zufrieden gewesen, angesichts des Spielverlaufs darf er sich nicht beklagen. Schlimmer als der Punktverlust, falls es einer war, dürfte die Stuttgarter die Verletzung von David Schmidt treffen.

TVB Stuttgart: Bitter (1), Hummel; Häfner (2), Asgeirsson, Weiß (4), Faluvégi (2), Späth (1), Lönn (3), Röthlisberger, Foege, Zieker (4/1), Pfattheicher, Pesevski, Schmidt (8), Wieling.

SC DHfK Leipzig: Vortmann, Birlehm; Wiesmach (1), Witzke (1) Krzikalla (3/1), Binder (5), Janke, Müller (1), Roscheck, Weber (6), Mamic, Remke (1), Gebala (3), Milosevic (4), Santos.

Quelle: Thomas Wagner / ZVW

Die Stimmen nach der Punkteteilung gegen Leipzig

Jürgen Schweikardt: Wir sind glücklich über den Punkt, aber komplett zufrieden eben auch nicht. Wir hätten gerne zwei Punkte mitgenommen. Am Anfang drohte uns die Partie zu entgleiten, haben im Angriff einen Fehler nach dem anderen gemacht. Ende erster Halbzeit haben wir es dann besser gemacht. Ich finde, dass unsere Abwehr gemeinsam mit Jogi es bis zum Ende gut gemacht hat. Wir haben keine einfachen Würfe zugelassen und super verteidigt. Die Mannschaft hat er heute leidenschaftlich herausragend gemacht, daran müssen wir festhalten. Jetzt müssen wir abwarten, wie lange David ausfällt.

André Haber: Wir müssen froh sein, dass wir zum Schluss noch einen Punkt geholt haben, weil wir ganz vernünftige letzte drei bis vier Minuten hatten. Dennoch ärgere ich mich etwas, dass wir nicht beide Punkte geholt haben, denn das wäre heute möglich gewesen. Das hat man insbesondere in den ersten 20 Minuten gesehen, als wir meiner Ansicht nach die bessere Mannschaft waren und mit 12:7 geführt haben. Danach hatten wir weniger Durchschlagskraft und haben zu wenig geschafft um hier mit zwei Punkten nach Hause zu fahren.

Jogi Bitter: Wir haben nicht aufgehört zu kämpfen. Wir haben von vielen Einzelaktionen gelebt und stark verteidigt. Dass man einen Philipp Weber nicht komplett unter Kontrolle kriegt, versteht sich von alleine. Ich bin froh über den Punkt, denn wir hätten nach diesem großen Fight, nicht unbedingt großes Spiel, auch ohne Punkte dastehen können.

Samuel Röthlisberger: In der ersten Halbzeit haben wir ein, zwei leichte Ballverluste und dadurch dann entsprechend auch einen Rückstand, welchen wir dann aber stark wieder aufholen. Wir haben stark gekämpft und in der zweiten Halbzeit dann alles reingeworfen. In dieser Saison haben wir schon öfters solche Spiele am Ende noch verloren. Heute haben wir in so einem engen Spiel dann Mal einen Punkt geholt und das war auch extrem wichtig!

TVB holt Remis im ersten Heimspiel 2020

Verletzungsbedingt musste Trainer Jürgen Schweikardt auf Nick Lehmann, Robert Markotic und Alexander Schulze verzichten. Dafür rückten Finn Hummel und Luis Foege in den Bundesligakader.

Das erste Tor der Partie gelang Adam Lönn für den TVB durch einen Tempogegenstoß-Treffer. Dennoch schafften es die Gäste aus Leipzig direkt mit zwei Toren in Führung zu gehen. Den ersten 7-Meter der Partie netzte Zieker souverän ein, beim zweiten scheiterte er dann jedoch am Leipziger Torhüter Vortmann. Dank zwei starker Paraden von Jogi Bitter konnten die Gäste dem TVB nicht direkt davonziehen und den WILD BOYS gelang in der 13. Minute durch Rudolf Faluvegi der Ausgleichstreffer zum 6:6. Aufgrund zu vieler Fehler im Angriff der Gastgeber stand nach 24 Minuten die erste 4-Tore Führung für Leipzig auf der Anzeigetafel – 8:12. Nachdem Bitter eine Zeitstrafe erhalten hatte, bekam Finn Hummel die Chance, sich auf großer Bühne zu zeigen. Diese wusste er sofort zu nutzen und parierte den ersten Wurf der Gäste auf sein Tor. Kurz vor der Halbzeit gelang es Max Häfner noch den Ball im gegnerischen Tor unter zu bringen und so ging es mit 12:14 in die Kabinen.

Zum Start der zweiten Halbzeit erzielte David Schmidt den Anschlusstreffer zum 13:14. Das Spiel wurde dann nach ein paar Unachtsamkeiten der Leipziger Abwehr wieder richtig eng und bis zum Schluss konnte sich keines der beiden Teams mehr entscheidend absetzen. 

In der 48. Minute netzte Dominik Weiß zum 21:20 und somit auch zur ersten TVB-Führung seit der ersten Spielminute. Einen großen Anteil daran, dass der TVB bis zum Schluss um die Punkte mitmischen konnte, hatte Jogi Bitter durch seine vielen starken Paraden. 

Kurz vor Ende der Partie hatten die Stuttgarter sogar noch die Chance mit zwei Toren in Führung zu gehen und somit die zwei Punkte sicher zu machen, doch dies schafften die Jungs von Schweikardt nicht und so stand am Ende dank Dominik Weiß Treffer 5 Sekunden vor Schluss ein 25:25 auf der Anzeigetafel.

Problem: Abstiegskampf ist für viele neu

So schnell kann’s gehen: Nach drei Siegen in Folge im Dezember und sechs Punkten Abstand zu den Abstiegsrängen hatten die Verantwortlichen des Handball-Erstligisten TVB Stuttgart kräftig durchgepustet. Es folgten vier Pleiten – und plötzlich geht wieder die Angst um. Bei einer Niederlage am Sonntag (16:00 Uhr) gegen den SC DHfK Leipzig könnte der TVB auf einen Abstiegsplatz rutschen.

Die Frage, ob sich die Stuttgarter zu sicher gefühlt haben nach etlichen überzeugenden Auftritten gegen Ende des vergangenen Jahres, lässt sich nur schwer beantworten. Es sieht jedoch ganz danach aus, denn anders lassen sich die wechselhaften Auftritte kaum erklären. Nach dem tollen Spiel gegen Melsungen (31:28) hielt der TVB gegen den Tabellenführer Kiel – trotz der deutlichen 21:29-Niederlage – 50 Minuten lang sehr gut mit. Erschreckend schwach dagegen präsentierte sich das Schweikardt-Team beim 19:32-Debakel in Hannover, anschließend verpasste es nach einem überzeugenden Spiel beim 32:33 gegen das Top-Team aus Berlin knapp die Überraschung.

Im ersten Spiel des neuen Jahres, bei der 23:27-Niederlage gegen den Abstiegskonkurrenten TBV Lemgo, waren die Stuttgarter komplett neben der Spur. Die Unbeständigkeit indes ist nicht das einzige Problem des TVB derzeit: Der Tabellenvorletzte, die Eulen aus Ludwigshafen, gewann drei der jüngsten vier Spiele und schloss nach Pluspunkten zum TVB auf.

Es gab also einiges zu besprechen nach der äußerst dürftigen Vorstellung in Lemgo. „Die Spieler waren sehr einsichtig“, sagt der Trainer Jürgen Schweikardt. „Sie haben gemerkt, dass das viel zu wenig war.“ Es habe aber keinen Rundumschlag gegeben, vielmehr hätten „taktische Justierungen“ auf dem Trainingsplan gestanden. Die Beinarbeit in der Abwehr sei in Lemgo schlecht gewesen, wodurch die Staffelung nicht stimmte. Ein bisschen mehr Dynamik hätte auch im Angriff nicht geschadet. „Was die Intensität in den Zweikämpfen betrifft, haben uns ein paar Prozent gefehlt.“

Wenn seine Mannschaft diese Tugenden auch künftig vermissen lässt, wird’s schwer im Abstiegskampf. „Ich bin mir sicher, dass sich alle der Situation bewusst sind“, sagt Schweikardt. „Für viele ist dieser Druck neu, aber damit muss jeder klarkommen.“ Und zwar schon am Sonntag, denn das Spiel gegen Leipzig ist ein bedeutendes. Dessen ist sich auch der Trainer bewusst. Trotzdem mache es keinen Sinn, darüber nachzudenken, was passiere, wenn dieses oder jenes Spiel verloren gehe. „Wir müssen nicht jedes zum Schicksalsspiel ausrufen.“

Der kommende Gegner ist von anderem Kaliber als Lemgo. Mit 22:20 Punkten stehen die Leipziger auf einem Mittelfeldplatz. Das Team habe etliche gestandene und den einen oder anderen außergewöhnlichen Spieler in seinen Reihen. Außer mit dem deutschen Nationalspieler Philipp Weber waren die Leipziger noch fünfmal bei der Europameisterschaft vertreten in Person des Silbermedaillen-Gewinners Marco Mamic, Raul Santos, Alen Milosevic und Maciej Gebala. Robert Markotic wird dem TVB wegen einer Fußverletzung noch zwei bis drei Wochen fehlen. Adam Lönn (Schulter) hat eingeschränkt trainiert, Schweikardt hofft auf seinen Einsatz. Ins Team rücken wird wahrscheinlich Luis Foege aus der zweiten Mannschaft. Auch Manuel Späth ist zurück im Kader: Die zweite Tochter hat mittlerweile das Licht der Welt erblickt.

Info: Es gibt noch rund 1300 Karten fürs das Spiel gegen Leipzig. Die Tageskassen öffnen am Sonntag um 14.30 Uhr. Anpfiff ist um 16 Uhr.