Alle Kräfte mobilisieren

Zweifelsfrei wäre es fahrlässig, im Erfolgsfall an Silvester bereits die Sektkorken zum Ligaverbleib knallen zu lassen. Andererseits gingen die Bittenfelder, wenn alles normal läuft am finalen Spieltag und sich Göppingen nicht ein zweites Mal von Bietigheim überraschen lässt, mit neun Punkten Polster auf die Abstiegsränge in die WM-Pause.

Das bedeutete, mit drei weiteren Siegen aus den verbleibenden 15 Partien in der Rückrunde wäre der TVB wohl auf der sicheren Seite. Auf dem Papier stehen die Chancen auf den fünften Heimerfolg in dieser Saison am Mittwoch nicht so schlecht. Dem VfL Gummersbach steht bei nur zwei Punkten Abstand zum ersten Abstiegsrang das Wasser bis zum Hals. Doch der TVB muss auf der Hut sein – nicht nur, weil er erneut auf wichtige Spieler verzichten muss. Tobias Schimmelbauer hat seine Magen-Darm-Probleme zwar überwunden und wird ebenso in den Kader zurückkehren wie der Kreisläufer Simon Baumgarten (Sprunggelenkverletzung). Lukas von Deschwanden indes muss aufgrund seiner anhaltenden Nackenschmerzen erneut passen. Eher unwahrscheinlich dürfte der Einsatz von Michael Kraus sein, der sein Comeback nach dem Handbruch eigentlich fürs Weihnachtsspiel in Aussicht gestellt hatte. So ganz hat der TVB-Trainer Jürgen Schweikardt seinen Spielmacher noch nicht aufgegeben. Schließlich ist Kraus stets für eine Überraschung gut.

Jürgen Schweikardt ist um jeden Spieler froh, denn der Kräfteverschleiß der anstrengenden Hinrunde ist seiner Mannschaft – wie den anderen Teams allerdings auch – deutlich anzumerken. „Es wird höchste Zeit, dass wir regenerieren können“, sagt der Trainer. „Man hat schon gesehen, dass unsere Spielerdecke nicht allzu dick ist.“ Reich gesegnet an Spielern ist auch der VfL Gummersbach nicht, die Sorgen indes sind deutlich größer als die der Bittenfelder. Nach zwei Zitter-Spielzeiten hat der Altmeister, immerhin Gründungsmitglied der Bundesliga, schon wieder erhebliche Probleme. Nur viermal hat der VfL in 18 Spielen das Spielfeld als Gewinner verlassen, den ersten Erfolg gab’s ausgerechnet am vierten Spieltag beim 31:28 gegen den TVB. Mit dem jüngsten Erfolg, dem 27:26 in Ludwigshafen, hielt sich das Team von Trainer Dennis Bahtijarevic immerhin einen Abstiegskonkurrenten vom Hals und trat im folgenden Spiel gegen Melsungen gleich selbstbewusster auf. Nach dem 16:16-Gleichstand machte der Gegner mit einem 7:0-Lauf alles klar und siegte mit 28:23. Jürgen Schweikardt warnt vor dem Gegner. „Gummersbach hat Qualität, es hat sie aber noch nicht so oft aufs Spielfeld gebracht.“

Besonders gut in Form zeigte sich zuletzt der rechte Rückraumspieler Ivan Martinovic, der gegen Melsungen zehn Tore erzielte. Der iranische Spielmacher Pouya Norouzi ist für Schweikardt „individuell einer der besten Spieler der Liga“. Und mit Carsten Lichtlein habe der VfL einen erfahrenen Torhüter, der den entscheidenden Unterschied ausmachen könne. Schweikardt sieht sein Team in einer ähnlichen Ausgangsposition wie vor dem Derby gegen Bietigheim. „Die Bedeutung brauchen wir nicht kleinzureden“, sagt er. „Wir müssen uns aber in erster Linie auf unsere Aufgaben konzentrieren.“ Über eine stabile Deckung und mit einem guten Torhüter im Rücken will der TVB mit Tempohandball zum Erfolg kommen. An Selbstbewusstsein dürfte es dem TVB nach den jüngsten Auftritten gegen Bietigheim und die Rhein-Neckar Löwen nicht mangeln. „Wir wissen schon, was wir können“, sagt Schweikardt.

Quelle: Thomas Wagner, ZVW

Ein Lob von Heiner Brand

Es gibt Niederlagen, die nicht ganz so sehr schmerzen. Wie jene des Handball-ErstligistenTVB Stuttgart bei den Rhein-Neckar Löwen. Der Favorit mühte sich zum 34:29-Sieg, und das Lob für den Unterlegenen kam von höchster Stelle. „Der TVB ist eine Mannschaft, auf die man achten muss“, sagte Heiner Brand, Trainer des Weltmeisterteams von 2007, nach dem Spiel.

Wenig Zweifel hatte es vor dem Duell Baden gegen Württemberg gegeben, in welche Richtung es laufen würde. Der mit Weltklassespielern gespickte Kader der Rhein-Neckar Löwen war vollständig. Der TVB 1898 Stuttgart kam, wie es dessen Trainer Jürgen Schweikardt ausdrückte, „auf der letzten Rille daher“. Ohne Michael Kraus (Hand-Operation), Lukas von Deschwanden (Nackenprobleme), Tobias Schimmelbauer (Magen-Darm-Erkrankung) und Simon Baumgarten (Sprunggelenkverletzung) musste sich der TVB der Wucht der Löwen entgegenstemmen.

Und der Wut nach dem unglücklichen Aus im DHB-Pokal-Viertelfinale zwei Tage zuvor bei den Füchsen Berlin. „Auch mit komplettem Kader dürfte Stuttgart für die Löwen kein Stolperstein werden“, sagte der Sky-Experte Heiner Brand vor der Partie. Das war der TVB letztlich auch nicht, aber zumindest eine hohe Hürde. Der mutige Auftritt des Underdogs nötigte dem Ex-Bundestrainer hernach jedenfalls Respekt ab. „Was die gespielt haben, war keine wilde Sau“, sagte er.

Und das, obwohl der TVB aufgrund der Personalnot etliche Umstellungen vornehmen musste. So rückte der junge Max Häfner auf die Spielmacher-Position, der Routinier Michael Schweikardt durfte zunächst ein paar Kräfte schonen auf Linksaußen. „Es war klar, dass viele Spieler eine hohe Belastung haben würden“, sagte Jürgen Schweikardt. „Das mussten wir steuern.“ Außerdem habe Häfner gut trainiert. „Wir wollten ihm die Chance geben, über die Mitte ins Spiel zu kommen.“

Im Angriff machte der 23-Jährige seine Sache sehr gut (Brand: „Er hat ein gutes Handgelenk“), in der Deckung allerdings hatte er ein paar Probleme. Was nicht verwunderlich war, schließlich stand ihm mit Alexander Petersson einer des Besten seines Fachs gegenüber. Der schwedische Nationalspieler war in den ersten 30 Minuten der beste Löwe – wobei der TVB hier die Chance verpasste, vielleicht sogar mit einer Führung in die Pause zu gehen.

Dass der Drei-Tore-Rückstand nach der Halbzeit zwischenzeitlich auf fünf anwuchs, lag nicht am Wechsel auf der Torhüterposition. Jogi Bitter hatte muskuläre Probleme mit dem Oberschenkel, sicherheitshalber rückte Jonas Maier ins Tor. Und der Ex-Löwe zeigte ein klasse Leistung.

„Am Ende fehlten ein paar Prozent und auch die Alternativen von der Bank“, so Schweikardt. Und das Glück mit dem einen oder anderen Pfiff der Schiedsrichter. Fragwürdig beispielsweise war für den Trainer die Zeitstrafe gegen Max Oehler. Der Youngster musste zehn Minuten vor dem Ende – beim Spielstand von 28:25 – nach einem Zweikampf mit dem Löwen-Kreisläufer Jannik Kohlbacher vom Spielfeld.

„Ich denke, ein Siebemeter wäre genug gewesen. Es war ein Phase, in der wir die Löwen vielleicht hätten knacken können.“ Ob’s tatsächlich zu einer Sensation gereicht hätte, sei dahingestellt. „Wir hätten aber bis zum Schluss dranbleiben können.“

Auch wenn sein Team die Verunsicherung der Löwen „vielleicht einen Tick besser“ hätte ausnützen können: Schweikardt war zufrieden mit der Darbietung seines Teams. Das habe gegen Bietigheim und die Löwen zwei gute Spiele gemacht. „Jetzt gilt es, Kräfte zu sammeln bis zum wichtigen Spiel am Mittwoch gegen Gummersbach.“

Quelle: Thomas Wagner, ZVW