Zeitz hat keine Lust auf die Rente

Der Weltmeister möchte noch ein Jahr spielen 

Christian Zeitz hat wesentlich dazu beigetragen, dass sich der Handball-Erstligist TVB Stuttgart im Februar mit einem Kraftakt aus einer prekären Lage befreit hat. An diesem Donnerstag wird der Weltmeister von 2007 – zusammen mit Manuel Späth, David Schmidt und Robert Markotic – verabschiedet. Allerdings nicht mit einer spektakulären Lightshow, eifrigem Händeschütteln, Schulterklopfen und Handy-Selfies nach dem Bundesliga-Finale, sondern im Online-Livestream des TVB. Es ist eine besondere Situation für einen außergewöhnlichen Spieler. Die Saison 2019/2020 hat ihren Platz ganz oben in den Handball-Geschichtsbüchern sicher, weil ihr ein fieses Virus sieben Spieltage vor Schluss den Garaus gemacht hat. Es ist aber auch die Spielzeit eines erstaunlichen Comebacks gewesen: Nach zweijähriger Bundesliga-Pause und mit stolzen 40 Jahren auf dem breiten Kreuz verzückte „Zeitzi“ die Fans und beeindruckte die Konkurrenz. Es ist keinesfalls so, dass der Routinier die Stuttgarter im Alleingang zum Ligaverbleib geworfen hat. Doch der gebeutelte und verunsicherte TVB profitierte zweifelsfrei von der Aura und Erfahrung eines Spielers, der schon alles erlebt hat in seiner 20-jährigen Profi-Karriere. „Ich hatte großen Spaß mit dem TVB, ich habe mich schnell wohl gefühlt“, sagt Zeitz im Gespräch mit dieser Zeitung. „Schade, ich hätte die Saison sehr gerne zu Ende gespielt, wir hatten gerade einen sehr guten Lauf.“ 

Das Comeback: Ein Risiko für den Verein und den Spieler 

So richtig geglaubt an eine Fortsetzung der Runde habe er nach der Unterbrechung nicht. Die Vorschläge, etwa jenen von Bob Hanning, den Rest der Saison in Turnierform zu spielen, sei nicht praktikabel gewesen. „Ich denke, auch bei den Fußballern wird das nicht lange gutgehen. Und womöglich rennen die Fans bei den Geisterspielen wieder vors Stadion.“ Die Serie des TVB war ebenso wenig zu erwarten wie Zeitz’ starkes Comeback. Sowohl für den TVB als auch für den Spieler war die Verpflichtung ein Risiko. Schließlich ist Zeitz schon immer bekannt dafür, seine Trainer auch mal in den Wahnsinn zu treiben. Nicht immer macht er auf dem Spielfeld das, was ihm aufgetragen wird. Doch gerade dieser Egoismus, dieses Unberechenbare hat in unzähligen Spielen den Unterschied ausgemacht. Das wusste auch Johannes Bitter. Der Torhüter des TVB Stuttgart brachte seinen Weltmeister-Kollegen von 2007 ins Gespräch, nachdem dem TVB durch den verletzungsbedingten Ausfall von David Schmidt im rechten Rückraum die Luft auszugehen schien. Und das mitten im Abstiegskampf. Es war nicht das erste Mal, dass der TVB mitten in der Saison einen Hochkaräter an Land zog. Die Bittenfelder schnappten sich Bitter, nachdem dessen Verein, der HSV Hamburg, im Januar 2016 Insolvenz angemeldet hatte. Der Weltmeister-Keeper erwies sich als Volltreffer. Warum also sollte dem TVB nicht noch einmal so ein Coup gelingen? Wobei: Ein bisschen anders war die Situation bei Zeitz schon. Während Bitter bei seinem Wechsel nach Stuttgart voll im Saft gestanden hatte, pausierte Zeitz nach dem Rückzug seines Teams. Und: Zeitz kam aus der dritten Liga, von der SG Nußloch. 

So langsam wird es ein bisschen langweilig

 „Klar habe ich mir Gedanken gemacht, ob es Sinn macht, noch einmal zu spielen, ich war ja zwei Jahre draußen aus dem Bundesliga-Geschäft“, sagt Zeitz. „Ich habe aber gemerkt, dass ich immer noch mithalten kann.“ In den ersten zwei, drei Spielen sei’s körperlich nicht so einfach gewesen für ihn. „Dann bin ich aber immer besser reingekommen.“ Wichtig sei gewesen, dass er nicht übersteuert habe und dosiert eingesetzt worden sei. „Das war mit Jürgen Schweikardt so abgesprochen, außerdem war auch Robert auf meiner Position noch da.“ Durch den Spielabbruch kam Christian Zeitz nur in sechs Spielen zum Einsatz. 22 Tore und etliche Assists – bei nicht übermäßig viel Spielzeit – sprechen für sich. Seit einigen Wochen befindet sich Zeitz, wie seine Mannschaftskameraden, in Kurzarbeit und vertreibt sich zu Hause in Schwetzingen die Zeit. „Zwei, drei Wochen war’s ganz okay, um ein bisschen runterzukommen und zu regenerieren“, sagt er. „Langsam wird’s aber schon ein bisschen langweilig.“ Lieber heute als morgen möchte er aufs Spielfeld zurück und das tun, was er am liebsten macht: einfach nur Handball spielen. In dieser Saison wird daraus wohl nichts mehr werden. Derzeit hält sich Zeitz mit Läufen und Stabilitätsübungen fit. „Ich hoffe, dass demnächst die Fitnessstudios wieder aufmachen.“ Eine eigene Mucki-Bude im Keller hat er – noch – nicht, möchte sich nun jedoch „ein bisschen etwas zulegen“. Sein Hauptbetätigungsfeld sollen die Gewichte allerdings nicht werden. Demnächst möchte er seinen Trainerschein in Angriff nehmen, „aber auch noch gerne ein Jährchen in der ersten Liga spielen“. Wo, das steht noch in den Sternen. Das Engagement beim TVB war lediglich bis zum Saisonende angedacht. Durch die frühzeitige Verpflichtung von Viggo Kristjannson und Jerome Müller waren die beiden Plätze im rechten Rückraum bereits vergeben, als Zeitz nachverpflichtet wurde. „Es ist sicherlich nicht die beste Zeit, einen neuen Vertrag abzuschließen“, sagt Zeitz. „Jeder Club muss kämpfen und schauen, dass er nicht sogar noch einen Spieler abgeben muss.“ In Berlin sei das schon der Fall. Zeitz geht davon aus, dass es auch noch andere Vereine treffen wird. Auf finanzielle Abstriche hat er sich schon eingestellt. „Ich glaube nicht, dass die Verträge so hoch dotiert sein werden. Und mir ist auch bewusst, dass ich keine 26 Jahre alt mehr bin.“ Ob’s für den großen Traum, einer Finca auf Ibiza, trotzdem reichen wird für Christian Zeitz? „Ich denke, ich muss noch mal Lotto spielen“, sagt Zeitz und lacht.

Quelle: ZVW/Thomas Wagner