Abschied ohne Beifall

Es ist eine gespenstische, unwirkliche Atmosphäre am Donnerstagabend in der Stuttgarter Porsche-Arena. Dort, wo um 19 Uhr normalerweise 6000 Handball-Fans für Stimmung sorgen bei den Heimspielen des TVB Stuttgart, verlieren sich im Schummerlicht rund ein Dutzend Club-Mitarbeiter, eine Handvoll Medienvertreter, drei Spieler, der Trainer Jürgen Schweikardt und Christian May, Sprecher der Gesellschafter. Der Anlass der Veranstaltung passt irgendwie zum Ambiente: Immer dann, wenn das Bittenfelder Mostkrügle auftaucht, stehen die Zeichen auf Abschied. Er ist das traditionelle Geschenk für Spieler, die den TVB verlassen.

Zum Abschied ein Bittenfelder Mostkrügle

Vier Gefäße, allerdings ohne vergorenen Apfelsaft, stehen an diesem Donnerstag bereit, an dem David Schmidt, Robert Markotic, Christian Zeitz und Manuel Späth eigentlich zum letzten Mal ins TVB-Trikot geschlüpft wären. Allerdings nicht in Stuttgart, sondern in der Flensburger Arena. Die wäre auch ein schöner Rahmen gewesen, doch das Coronavirus hat die Saison vorzeitig beendet. Weil beide Vereine nicht grußlos in den Urlaub verschwinden wollen, haben sie sich etwas einfallen lassen: Sowohl der Meister der Vorsaison und Vizemeister der Corona-Runde als auch der Zwölfte bieten zeitgleich einen Livestream über die sozialen Medien an.

Platz gibt’s reichlich in der Porsche-Arena an diesem Donnerstag, dennoch müssen die Verantwortlichen des TVB streng auf die Hygienevorschriften achten. So schlüpft Elmar Burke in die Rolle des „Desinfektionsbeauftragten“. Bevor sich ein neuer Redner an das Stehpult zu Moderator Jens Zimmermann begibt, wird das Mikrofon gesäubert. Die Gesprächspartner achten dabei auf den empfohlenen Mindestabstand von eineinhalb Metern.

Ein Relikt aus anderen Zeiten

So richtiges Porsche-Arena-Gefühl kommt nicht auf bei Jürgen Schweikardt, dem Trainer und Geschäftsführer des TVB Stuttgart. „Es fühlt sich schon komisch an, wenn man in die Halle reinläuft“, sagt er. „Es wirkt wie ein Relikt aus anderen Zeiten.“ Auch das Gefühl, das man in einem letzten Spiel habe, die Vorfreude auf die gemeinsame Abschlussfahrt oder den Urlaub mit der Familie, das alles falle nun weg.

Was bleibt, ist der Abschied von Spielern. „Die Entscheidungen, wie ein Kader zusammengestellt wird und ob man sich von verdienten Spielern trennt, ist nicht immer ganz leicht“, sagt Schweikardt. „Aber das gehört zum Geschäft nun einmal dazu, da müssen sehr viele Dinge mit berücksichtigt werden.“

David Schmidt verlässt den TVB aus freien Stücken, er sucht beim Ligakonkurrenten Bergischer HC eine neue Herausforderung. Nicht mehr verlängert werden die Verträge von Robert Markotic, Manuel Späth und vom nachverpflichteten Christian Zeitz.

Schmidt wird beim TVB zum Nationalspieler

Nur sechs seiner 305 Bundesligaspiele hat Christian Zeitz für den TVB bestritten. Die reichen jedoch, um nachhaltig Eindruck zu hinterlassen. Die Fans würden „Zeitzi“ gerne weiterhin im TVB-Trikot sehen, allerdings ist die Position im rechten Rückraum für die nächste Saison längst zweifach besetzt. Und ein zusätzliches Gehalt kann sich der TVB in diesen schwierigen Zeiten wohl kaum leisten.

Beim TVB zum Nationalspieler gereift ist David Schmidt. „Das war natürlich eine Riesensache für mich“, sagt er. „Aber man muss natürlich ehrlicherweise sagen, dass das alles ein bisschen glücklich zustande gekommen ist.“ In zwei Jahren und 49 Ligaspielen für den TVB erzielte der Linkshänder 217 Tore. „Ich hatte wahnsinnig tolle Mitspieler hier“, sagt er.

Der dritte Linkshänder, der Stuttgart verlassen muss, fehlt bei der Verabschiedung. Robert Markotic, der zum Regionallisten SG Ratingen wechselt, ist im Umzugsstress. Eine Facebook-Grußbotschaft an die Fans gibt’s allerdings vom Kroaten.

Späth bleibt Siebenmeter verwehrt

In sieben Ländern und sieben Ligen hat der 30-Jährige gespielt, eher heimatverbunden dagegen ist Manuel Späth. Auf mehr als zwei Ligen dürfte es der 34-Jährige kaum mehr bringen. FA Göppingen und TVB Stuttgart lauten die Stationen des „Bundesliga-Dinos“, der gerne noch ein Jahr beim TVB Stuttgart angehängt hätte. Seine Profi-Karriere wird Späth höchstwahrscheinlich im Ausland fortsetzen und auch beenden, noch indes steht der Verein nicht fest.

In einer Bundesliga-Statistik liegt Manuel Späth ganz vorne: In 14 Jahren hat er lediglich zwei Spiele verpasst – und die wegen der Geburt seiner beiden Töchter. In einer anderen Rangliste steht Späth am Ende, schuld daran ist das Coronavirus. Noch nie hat der Kreisläufer die Gelegenheit gehabt, einen Siebenmeter zu werfen. „Das habe ich mir fürs letzte Spiel fest vorgenommen, da wollte ich mir auf jeden Fall einen Ball schnappen.“

Info

Die Abschieds-Veranstaltung des TVB gibt’s in voller Länge auf Facebook und Youtube zu sehen.

Quelle: ZVW/Thomas Wagner