Im Gespräch mit Lukas von Deschwanden

Mit Lukas von Deschwanden hat sich der TVB einen der besten Schweizer Handballer geangelt – den zweiten nach Samuel Röthlisberger. Der 29-Jährige hat sich schnell eingelebt in seinem neuen Team. „Es heißt ja, die Schwaben und die Schweizer würden sich ähneln“, sagt von Deschwanden und grinst. „Das kann ich bestätigen, nur einer passt da nicht richtig rein.“

Der Stuttgarter Neuzugang ist erst der sechste Schweizer Handballer, der den Sprung ins Ausland gewagt hat. Fünf spielen in der neuen Saison in der deutschen Bundesliga – vorneweg natürlich Andy Schmid von den Rhein-Neckar Löwen, einer der weltbesten Spielmacher. Schnell einen Namen gemacht hat sich auch der junge Samuel Röthlisberger (22), der zur vergangenen Spielzeit aus Bern zum TVB gewechselt war und sich gleich zur festen Größe entwickelt hat.

Die Verantwortlichen des TVB hoffen, dass der Rückraum-Allrounder von Deschwanden ähnlich gut einschlagen wird wie der Abwehrspezialist. Die Referenzen des Nationalspielers sind jedenfalls ausgezeichnet: Zweimal wurde er Torschützenkönig in der Ersten Schweizer Liga, zweimal wurde er zum wertvollsten Spieler der Saison gewählt. Martin Rubin, von Deschwandens Trainer bei Wacker Thun, adelte den Rückraumspieler in der Luzerner Zeitung, nachdem dessen Wechsel zum TVB im Januar bekanntgegeben wurde: „Wir verlieren einen großartigen Menschen und begnadeten Handballer.“

„Als Fußballer wäre ich vielleicht früher ins Ausland gegangen.“

Von Deschwandens Qualitäten kennt allerdings nicht nur sein Ex-Coach. Lukrative Angebote, unter anderem aus Deutschland und Frankreich, hat von Deschwanden bisher stets abgelehnt. Fast zehn Jahre blieb er Wacker Thun treu. „Mein Bauchgefühl sagte mir, dass jetzt der richtige Zeitpunkt da ist für einen Wechsel“, sagt er – und fügt grinsend hinzu. „Als Fußballer wäre ich vielleicht früher ins Ausland gegangen, wir Handballer aber müssen irgendwann noch mal etwas arbeiten.“ Parallel zur Handball-Karriere trieb von Deschwanden deshalb seine Ausbildung voran. Auch, weil er die Abwechslung zum Handball gebraucht habe. Nun hat er sein Master-Studium der Sportwissenschaften abgeschlossen und kann sich beim TVB komplett auf den Sport konzentrieren. Es ist eine ganz neue Situation für ihn.

Nicht leichtgefallen ist „Uri“, so von Deschwandens Spitzname in Anlehnung an seinen Geburtsort Altdorf im Kanton Uri, auch der Abschied aus der Heimat. Dass die Wahl letztlich auf den TVB fiel, hatte mehrere Gründe. Zum einen kannte von Deschwanden den (Ex-) TVB-Trainer Markus Baur noch aus dessen Zeit bei den Kadetten Schaffhausen – „und wir hatten gute Gespräche“.

In vier Stunden in der Heimat

Zum anderen habe Andy Schmid den TVB wärmstens empfohlen, und selbstverständlich habe er sich bei Samu Röthlisberger über den TVB informiert. „Da habe ich nur Positives gehört.“ Von Deschwandens Berater spielte beim Wechsel übrigens keine Rolle – er hat schlichtweg keinen. Was ziemlich ungewöhnlich ist in der Branche. „Ich brauche keinen, ich kann ja Deutsch“ sagt von Deschwanden. „Der Andy hilft mir hier und da ein bisschen, das ist alles.“

Auch die geografische Lage sprach für den TVB, in rund vier Stunden ist von Deschwanden in der Heimat. „Außerdem wird den Schweizern ja nachgesagt, sie hätten eine vergleichbare Mentalität wie die Schwaben, sie seien bodenständig und zurückhaltend.“ Gewisse Ähnlichkeiten habe er tatsächlich festgestellt, sagt von Deschwanden mit breitem Grinsen und schiebt nach: „Nur auf Mimi Kraus trifft das nicht ganz zu.“

„Klar, die Berge vermisse ich schon ein wenig“

Nicht schwergefallen sei ihm die Integration ins Team, sagt der neue Mann. Das Trainingslager in Südtirol habe einen Teil dazu beigetragen, die Kollegen schnell „und von einer anderen Seite“ kennenzulernen. Wobei sogenannte Teambuildingsmaßnahmen wie die gemeinsame Wanderung für den Schweizer freilich kein Neuland waren. Da kamen schnell Heimatgefühle auf. „Klar, die Berge vermisse ich schon ein wenig“, sagt er.

Nun freut sich von Deschwanden riesig auf die neue Herausforderung in der Ersten deutschen Bundesliga. Das Niveau wird höher sein als in der Schweiz, er wird beim TVB öfter mit Niederlagen konfrontiert werden als in Thun, wo er mit seinem Team stets vorne mit dabei war in der Liga und in der vergangenen Saison maßgeblich beteiligt war an der zweiten Meisterschaft der Thuner nach 2013. Bei seinem Herzensverein war von Deschwanden der prägende Akteur, beim TVB wird er nicht ganz so im Fokus stehen. Nichts ändern dürfte sich an der Spielweise des Schweizers, der zwar über einen harten Wurf verfügt, sich aber eher als einen „spielerischen, schnellen und variablen“ Spieler charakterisiert.

Im besten Handballalter

Rolf Brack setzte von Deschwanden in der Schweizer Nationalmannschaft häufig im rechten Rückraum ein, später spielte er aber auch auf der Mitte. Beim TVB dürfte „Uri“ vornehmlich auf Halblinks zum Einsatz kommen. „Der moderne Handball kommt mir entgegen“, sagt er. „Ich mag das Spiel mit dem Kreisläufer und versuche, immer torgefährlich zu sein.“

Von Deschwanden glaubt, dass er noch eine Schippe drauflegen kann. „Ich komme ja jetzt schließlich ins beste Handballalter“, sagt der 29-Jährige, der für zwei Jahre beim TVB unterschrieben hat.

Eine passende Wohnung in Stuttgart hat der Schweizer mittlerweile auch gefunden – und in der richtigen Größe. In ein paar Wochen zieht von Deschwandens langjährige Freundin Jasmin ein, aktuell sucht sie noch einen Job in der IT-Branche. Dann kann die Lieblingsspeise wieder gemeinsam gebrutzelt werden: Rösti mit Bratwurst.

Quelle: ZVW, Thomas Wagner